"Da konnte ich mich völlig zurückziehen. Es brauchte mich nicht" - Eine Tagebuchstudie zur beruflichen Zufriedenheit und Professionalisierung von Lehrkräften im Instrumentalen Gruppenunterricht

Autor/innen

  • Sonja Ulrich
  • Andreas C. Lehmann

Abstract

Die vorliegende qualitative Studie untersuchte die berufliche Zufriedenheit von Lehrkräften im Instrumentalen Gruppenunterricht (IGU) während einer zweijährigen Professionalisierungsphase, in der spezifische Kompetenzen für den Gruppenunterricht erworben wurden. Die Teilnehmer waren fünf Instrumentallehrer und -lehrerinnen an Schweizer Musikschulen, die zu Beginn der Studie erstmals IGU erteilten. Als Erhebungsinstrument wurde – in Anlehnung an Methoden der Action Research – ein „strukturiertes Tagebuch“ entwickelt, welches die Lehrkräfte im Untersuchungszeitraum zur Aufzeichnung und Reflexion ihres Unterrichts verwendeten. Ausgehend vom Zwei-Faktoren-Modell der Arbeitszufriedenheit nach Herzberg et al. (1959/1993) konnten verschiedene Faktoren identifiziert werden, die zur Arbeitszufriedenheit beitrugen bzw. diese beeinträchtigten. Quellen der Zufriedenheit waren arbeitsimmanente (Lernerfolge der Schüler), soziale (Anerkennung) und persönliche (Weiterentwicklung) Faktoren. Berufliche Unzufriedenheit stand in Zusammenhang mit von außen wirkenden Faktoren (Arbeitsbedingungen, mangelnde Wertschätzung des IGU) und der Unterrichtssituation selbst (gruppenspezifischer Kompetenzmangel, Selbstzweifel). Der Professionalisierungsprozess konnte probandenübergreifend für folgende Bereiche nachvollzogen werden: Schulung der Wahrnehmung, Gruppenführung, Zeitmanagement, Motivation der Gruppe und Umgang mit Unterrichtsstörungen. Von zentraler Bedeutung für die berufliche Zufriedenheit und den Professionalisierungsprozess waren gruppengesteuerte Unterrichtsphasen, in denen die Lehrkräfte die Unterrichtsführung zeitweilig an die Schüler abgaben und zum Beobachter und ggf. Moderator des Unterrichtsgeschehens wurden. Dadurch entstand die Gelegenheit, die eigene Wahrnehmungsfähigkeit zu schulen und musikalisches Lernen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Einerseits wurde der Rollenwechsel von den Lehrkräften als Chance zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung erlebt und war mit großer beruflicher Zufriedenheit verbunden. Anderseits stellten die von der Gruppe gesteuerten Unterrichtsphasen aber auch die größte Herausforderung dar, da gruppendynamische Prozesse besonders deutlich zutage traten, deren produktive Nutzung von den unerfahrenen Lehrkräften erst erlernt werden musste. Als hilfreich erachteten sie interne Hilfsmittel (Tagebuch) und die Unterstützung von außen (Supervision, Austausch mit Kollegen). Die Fallbeispiele zeigen, dass Professionalisierung im IGU situationsabhängig und individuell unterschiedlich verläuft und in der Herausbildung eines persönlichen Unterrichtskonzepts besteht, das den individuellen Stärken und Schwächen entspricht. 

Schlagwörter: Instrumentaler Gruppenunterricht, Arbeitszufriedenheit, Musiklehrkräfte, Professionalisierung

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Zitationsvorschlag

Ulrich, S., & Lehmann, A. C. (2011). "Da konnte ich mich völlig zurückziehen. Es brauchte mich nicht" - Eine Tagebuchstudie zur beruflichen Zufriedenheit und Professionalisierung von Lehrkräften im Instrumentalen Gruppenunterricht. Beiträge Empirischer Musikpädagogik, 2(1). Abgerufen von https://www.b-em.info/index.php/ojs/article/view/47

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